Warum ohne externe Experten alles stillsteht
Die Automobilbranche steht vor einer unsichtbaren Krise. Während der Endkunde davon wenig mitbekommt, herrscht hinter den Kulissen ein erbitterter Wettbewerb um Fachkräfte. Dieser Mangel an Talenten gefährdet die Zukunft ganzer Unternehmen. Grund dafür ist der tiefgreifende Wandel der Branche. Elektromobilität, Software-Defined Vehicles (SDVs) und Künstliche Intelligenz (KI) erfordern neue Kompetenzen, die mit herkömmlichen Qualifikationen nicht abgedeckt werden können.
Jobprofile im Wandel – Neue Anforderungen an die Belegschaft
Jahrzehntelang waren Ingenieure das Herz der Automobilproduktion. Doch mit der Digitalisierung und dem Aufkommen der Software-Defined Vehicles (SDVs) ändern sich die Rollen grundlegend. Antriebsingenieure werden durch Softwareentwickler, Systemarchitekten und Funktionsentwickler ersetzt. Das Problem: Diese Profile werden nicht nur in der Automobilbranche, sondern auch in der Tech-Branche stark nachgefragt. Der Wettbewerb um die besten Talente ist härter als je zuvor.
„Software-first“ bedeutet auch „War-for-Talents-first“.
Das Ergebnis: Verzögerte Projekte und längere Entwicklungszyklen. Interne Studien zeigen, dass 20 % der Softwareprojekte nicht termingerecht abgeschlossen werden, weil die benötigten Fachkräfte fehlen.
Externe Experten als Wendepunkt
Wenn interne Rekrutierung an ihre Grenzen stößt, werden externe Experten zur Lösung. OEMs greifen zunehmend auf Netzwerke zurück, die innerhalb weniger Tage hochqualifizierte Fachkräfte bereitstellen. Diese externen Spezialisten schließen Lücken, die intern oft monatelang offen bleiben.
Ein bewährtes Modell sind sogenannte „Tiger-Teams“ – flexible Einsatzteams, die besonders kritische Projekte übernehmen. Ein führender deutscher OEM konnte so die Markteinführung einer neuen Elektroplattform um sechs Monate vorziehen. Ohne diese Unterstützung hätte die Verzögerung dem Unternehmen Millionen gekostet.
Tiger-Teams sind keine Option mehr – sie sind eine Notwendigkeit.
Wenn es auf Geschwindigkeit ankommt, verwandeln externe Spezialisten und agile Tiger-Teams drohende Verzögerungen in Wettbewerbsvorteile.
Perspektiven und Trends – Wo die Reise hingeht
1. Multi-Skill-Teams statt Abteilungsdenken
Das klassische Abteilungsdenken verliert an Bedeutung. Stattdessen setzen Unternehmen auf Multi-Skill-Teams, die Experten aus verschiedenen Disziplinen in einer flexiblen und agilen Struktur vereinen. Ingenieure, Softwareentwickler und Datenanalysten arbeiten Hand in Hand an gemeinsamen Zielen wie der Entwicklung neuer Fahrzeugplattformen.
Die Vorteile liegen auf der Hand:
Silodenken wird durchbrochen, Entscheidungswege werden kürzer und Kommunikationsfehler seltener. Unternehmen, die diesen Ansatz bereits umgesetzt haben, konnten Entwicklungszeiten um bis zu 30 % verkürzen. Ein Beispiel aus der Elektromobilität zeigt, dass der Umstieg von klassischen Abteilungen auf Multi-Skill-Teams die Produktionszeit eines neuen Fahrzeugmodells um vier Monate reduzierte.
Statische Abteilungen bremsen – Multi-Skill-Teams beschleunigen.
2. Verborgener Wissensverlust – Das Phänomen des „Silent Drain“
Ein oft übersehenes Problem der Branche ist der stille Verlust von Wissen. Gemeint ist nicht die klassische Kündigung, sondern der „innere Rückzug“ langjähriger Mitarbeitender. Sie bleiben zwar im Unternehmen, beteiligen sich aber nicht mehr aktiv an der Weiterentwicklung.
Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, dass rund 25 % der Abgänge in der Automobilindustrie auf fehlende Entwicklungsperspektiven zurückzuführen sind. Unternehmen, die On-the-Job-Wissensvermittlung einführen, können diesem Trend entgegenwirken. In diesen Programmen geben erfahrene Mitarbeiter ihr Wissen gezielt an ihre Kolleginnen und Kollegen weiter, sodass kritisches Know-how erhalten bleibt.
Verborgenes Wissen zu verlieren, ist ein Risiko, das sich kein Unternehmen leisten kann.
3. Die Rückkehr der Werkbank
Die Verlagerung der Produktion in die Nähe der Entwicklungsstandorte nimmt zu. Disruptionen in den Lieferketten und geopolitische Unsicherheiten bewegen OEMs dazu, wieder auf lokale Entwicklungszentren zu setzen. Diese Standorte sollen nicht nur die Versorgung sichern, sondern auch die Entwicklungszeiten neuer Fahrzeugmodelle verkürzen.
Zurück zur Werkbank – schneller, näher, effizienter.
Laut einer Prognose des Verbands der Automobilindustrie (VDA) könnten bis 2030 rund 20 % der Entwicklungsaktivitäten an inländische Standorte zurückverlagert werden. Dies ermöglicht schnellere Anpassungen an regulatorische Anforderungen, einfachere Vor-Ort-Tests und kürzere Entwicklungszyklen.
4. Cloud-Talentpools für mehr Flexibilität
Flexibilität wird zum Schlüsselfaktor. Unternehmen setzen zunehmend auf Talent-Clouds – digitale Netzwerke von Fachkräften, die je nach Bedarf aufgestockt oder reduziert werden können. Statt auf eine feste Belegschaft zu setzen, arbeiten OEMs mit hybriden Teams aus internen und externen Spezialisten.
Schätzungen zufolge könnten bis 2028 etwa 50 % der Belegschaft bei OEMs aus flexiblen, projektbezogenen Teams bestehen. Dieser Ansatz reduziert Fixkosten und ermöglicht es Unternehmen, schnell auf Produktionsspitzen zu reagieren. Unternehmen, die bereits auf dieses Modell umgestellt haben, berichten von einer Senkung der Rekrutierungskosten um bis zu 40 %.
5. Bedarfsprognose durch Künstliche Intelligenz
KI-gestützte Bedarfsprognosen revolutionieren die Personalplanung. Predictive Talent Analytics ermöglicht es, den Bedarf an spezifischen Kompetenzen bis zu 24 Monate im Voraus zu erkennen. So können Unternehmen gezielt Talente rekrutieren, bevor Engpässe entstehen.
Ein Praxisbeispiel:
Ein führender OEM nutzte eine KI-Plattform zur Bedarfsprognose und konnte die Zahl der Notfall-Einstellungen um 40 % reduzieren. Durch den systematischen Einsatz dieser Technologie verkürzte sich die Zeit zur Besetzung offener Stellen um 30 %.
Warten ist keine Option
Externe Experten sind längst kein „Nice-to-have“ mehr – sie sind eine strategische Notwendigkeit. OEMs und Zulieferer, die frühzeitig Zugang zu Talenten sichern, verschaffen sich Wettbewerbsvorteile. Sie gewinnen Kontrolle, Agilität und Geschwindigkeit.
Der Zugang zu externen Fachkräften ermöglicht es Unternehmen, Kompetenzlücken schnell zu schließen, Innovationen voranzutreiben und die Markteinführung neuer Produkte zu beschleunigen. Diese Flexibilität ist in Zeiten von Produktionsspitzen und wachsendem Wettbewerb entscheidend.
Unternehmen, die sich nicht anpassen, zahlen einen hohen Preis: höhere Kosten, längere Entwicklungszyklen und verpasste Marktchancen. Wer jedoch die Kunst des agilen Talentmanagements beherrscht, wird die Branche prägen und neue Maßstäbe in Geschwindigkeit und Anpassungsfähigkeit setzen.














